Krisenmanagement wird zur staatlichen Daueraufgabe?! Corona stellt Staat und Gesellschaft bis heute vor große Herausforderungen. Zweifelsohne weist die Pandemie charakteristische Merkmale einer Krise auf: Es handelt(e) sich um ein Ereignis, das mit dem herkömmlichen Handlungsrepertoire des Staates nicht bzw. nicht ohne weiteres zu handhaben war. Corona ist eine typische moderne Krise. Moderne Krisen verlieren an Linearität; einfache Ursache-/Wirkungsbeziehungen gibt es nicht. Moderne Krisen verschwinden auch nicht mehr, sondern flackern immer wieder mit unbekannten Wirkungsfolgen auf, die mit (zunächst) unbekannten Instrumenten in Schach gehalten werden müssen. Diese neuen Krisen werden zum neuen Normalzustand und alte Krisen (Finanzkrise) werden durch neue Krisen (Pandemie) überlagert, was ihre Dynamik und ihr unbekanntes Wirkungsspektrum verstärkt. Insgesamt müssen sich staatliche Institutionen und die Gesellschaft vermehrt auf Krisen einstellen, weil nicht zuletzt durch Digitalisierung, Technologisierung etc. die Verletzlichkeit steigt. Krisen erhalten damit immer mehr Querschnittscharakter und bleiben nicht etwa auf einen Teilbereich oder ein einzelnes Politikfeld begrenzt. Neu entstehende technische Systeme sind durch Komplexität und enge Kopplung geprägt, so dass, wie es der Soziologe Charles Perrow bereits in seiner Normal Accident Theory formulierte, Unfälle und letztlich Krisen unvermeidlich werden.
Krisen mit ihren Folgewirkungen liegen noch außerhalb des Routinedenkens von Institutionen bzw. einer ganzen Gesellschaft. Nicht selten werden frühe Warnungen als Überdramatisierung und die Frühwarner als Alarmisten verunglimpft, was bei Corona auf die Frühphase der Pandemie zutraf. Hier sollte der Staat Mechanismen und Sensoren entwickeln, um eine entsprechende Früherkennung sicherzustellen, so dass es erst gar nicht zu einer Krise kommt bzw. diese im Frühstadium bereits abgeschwächt wird. Hier bietet es sich durchaus an, einen staatlichen und ggf. im Bundeskanzleramt installierten Chief Risk Officer zu schaffen, der permanent unterschiedliche Bedrohungslagen im Blick hat und v.a. frühzeitig auswertet sowie international und transdisziplinär vernetzt ist.
Krisenmanagement erfordert eine hohe Lernfähigkeit! Während der Krise sind dann entsprechende Management- Maßnahmen gefragt. Hier verdeutlich die Literatur, dass zentral getroffene Entscheidungen nicht unbedingt die Besten sind. Vielfach sind Fachexpert:innen die „Stars“ in der Krise, die aus der zweiten oder dritten Reihe manchmal unerwartet hervortreten und mit unaufgeregter Sachlichkeit Probleme lösen, insbesondere auf dezentraler Ebene. Insofern ist „Föderalismus-Bashing“ unberechtigt und letztlich ein Verschiebebahnhof in Bezug auf die eigentlichen Probleme. Es kommt auf den richtigen Mix aus dezentralen und zentralen Entscheidungen und beispielsweise auf die Etablierung einer entsprechenden ebenenübergreifenden Stabsarbeit an. Typisch für Krisen ist, dass sie eine unvorhergesehene Dynamik bekommen, so dass die Krisenintervention mit ihren Instrumenten nicht selten im „Nebel stochern“ muss, wie bei der Corona-Bekämpfung geschehen. Das ist Krisenmanagement par excellence: Versuch und Irrtum mit schnellen Rückkopplungs- und Lernschleifen. Kapazitäten für unerwartete Ereignisse müssen laufend erhalten, verbessert und neu entwickelt werden, damit die Lernfähigkeit des Systems erhalten bleibt.
Nach der Krise bzw. nach dem Krisenpeak kommen die Krisenbewältigung und Neuorientierung, was die Chance bietet, Neues aufzubauen bzw. zu entwickeln und bisherige Handlungspfade zu verlassen. Typisch ist, dass nach Krisen ein institutionelles Vergessen und ein Übergang zur Tagesordnung erfolgt – mahnende Stimmen werden häufig ignoriert. Es ist zu beobachten und vielleicht auch zu hoffen, dass Corona bereits zu Änderungen im Verhalten von Behörden und Gesellschaft geführt hat und diese auch in der Nach- Corona-Zeit erhalten bleiben, wie die „Zwangsdigitalisierung“ in der Bildungs- und Arbeitswelt.