Das Buch eignet sich, wenn Sie sich für folgende Themen interessieren:
- Strategisches Bewahren und (Ver-)Lernen von Wissen
- Wissensbewahrung – aber smart!
- Smarte Wissensbewahrung im digitalen Wandel
- Smartes Organisationslernen
Verwaltung verändert sich stetig
Aktuelle Veränderungsdynamiken fordern Aufgabenerfüllung und Wissensmanagement öffentlicher Verwaltungen heraus. Da sich die Anforderungen z.T. grundlegend ändern, geht es nicht nur um Ansätze zur Bewahrung von vorhandenem und zum Erlernen von neuem Wissen, sondern auch um ein bewusstes Verlernen. Unter dem Einfluss der Digitalisierung verändert sich die Arbeit im Maschinenraum des Staatsschiffs. Zeitgleich drohen mit den ausscheidenden Boomer-Jahrgängen auch Wissen und Kompetenzen von Bord zu gehen. Einseitige Bestrebungen zur Wissensbewahrung und zum Wissenstransfer laufen Gefahr, sich in Sachen Innovationsfähigkeit selbst ein Bein zu stellen. Statt sorgsam gehegter „Legacy der analogen Verwaltungswelt“ bedarf es eines strategischen Ansatzes, wie ein kluges organisationales Lernen und „Entlernen“ in Zeiten des demografischen Wandels und der digitalen Transformation aussehen muss.
Einige Implikationen für die Wissenssicherung und Handlungskorridore
Es zeigt sich folgender Befund: Zunehmende Pensionierungszahlen und verstärkter Vollzugswandel sowie die Vollzugsdynamik verstärken die Wissens- und damit Lernanforderungen an die Beschäftigten. Das erfordert dezidierte Personalmaßnahmen, da es nicht so ist, dass das Wissen derjenigen Beschäftigten, die in Pension gehen nicht mehr gebraucht wird. Vielfach gehen Akademiker mit Spezialwissen in Pension, deren Wissen weiterhin gebraucht wird oder das sich nur zum Teil ändert, während gleichzeitig Tätigkeiten wegfallen bzw. Arbeitsplätze sich stark bei Mitarbeitern wandeln, die erst in einigen Jahren in Pension gehen. Hier entstehen neue Ambivalenzen und Ungleichzeitigkeiten, die mit klassischer Personalentwicklung kaum zu bewältigen sind: Fachkräfte-/Expertenmangel einerseits und die Notwendigkeit der Personalfreisetzung bei einfachen Tätigkeiten andererseits. Diese Ambivalenzen werden zu-nehmen, die ausgewogene Personalmaßnahmen erfordern. Ohne an dieser Stelle die Befunde zu dramatisieren, lässt sich Folgendes sagen: Wenn keine entsprechende Personalentwicklung für Wissensveränderung/Wissenssicherung stattfindet und der Personalstopp pauschal aufrecht erhalten wird, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Wissenssicherung/der notwendige Wissenswandel nicht gelingt und der öffentliche Dienst nachhaltig in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird. Dabei ist die gesamte arbeitsmarktliche wie demografische Großwetterlage zu berücksichtigen. Auch aus diesem Grund ist eine entsprechend langfristig angelegte Personalpolitik angezeigt, um den künftigen Personalbedarf (über den Aspekt der Wissenssicherung hinaus) zu decken. Aus managerialer und verwaltungspolitischer Sicht können folgende Befunde für die Wissenssicherung festgehalten werden:
- Nachbesetzung und Tandems ermöglichen: In jedem Fall erschwert, wenn nicht gar verhindert ein pauschaler Einstellungsstopp eine wissenssichernde Nachbesetzung, weil aufgrund der dargestellten Entwicklungen kaum eine entsprechende Personalentwicklung möglich ist. Ein Risiko besteht darin, dass weder altes Wissen ausreichend gesichert wird noch gleichzeitig neues Wissen aufgrund der Vollzugsänderung entsteht.
- Strategische Ausrichtung gefragt und Vorlaufzeit nutzen: Ebenso braucht es eine längerfristige strategische Handlungsorientierung. Dass die große Pensionierungswelle vielfach erst noch bevorsteht, gibt der Politik wie dem Management Vorlaufzeit, um das notwendige Wissen/die notwendigen Kompetenzen aufzubauen und zu entwickeln. Dieser kritische Vorlaufzeitraum sollte unbedingt genutzt werden, damit die Wissenssicherung gelingt. Es sollte mit entsprechendem zeitlichem Vorlauf eine aktive Personalpolitik stattfinden, die bestimmt, welche Stellen/Wissensbereiche gefährdet sind und mit welcher Personalpolitik/Ausbildungen und Organisationsmaßnahmen dem begegnet werden kann.
- Lernkultur aktiv entwickeln: Es ist bereits absehbar, dass auch nach der großen Pensionierungswelle die Wissensdynamik aufgrund der beschriebenen Entwicklungen erhalten bleiben wird. Das wird nur durch eine entsprechende Lernkultur zu bewältigen sein. Es kommt auf den richtigen Mix von Wissenssicherung und Neuaufbau von Wissen an. Das wird nur gelingen, wenn sich die Kultur im öffentlichen Sektor stärker hin zu einer lernenden Verwaltungskultur bewegt. Lernen, auch individuelles Lernen am Arbeitsplatz und Eigenverantwortung, werden zunehmen müssen, damit der in Zukunft weiterhin steigenden Vollzugsdynamik Rechnung getragen werden kann. Die veränderten und dynamischen Wissensanforderungen werden sich immer weniger durch einseitige Anordnung in den Griff bekommen lassen.
- Ein Nachfolger für Stellen mit kritischem Wissen: Insbesondere bei Stellen mit für die Organisation kritischem (impliziten) Wissen – das für die Organisation strategisch relevant ist – sollte darauf hingewirkt werden, dass möglichst ein direkter Nachfolger existiert und sich dieses Wissen mit anderen Stelleninhabern überlappt. Dazu gehört auch Wissen über die Organisation und deren Gestaltung, was v.a. für Führungskräfte relevant ist. Andernfalls droht wertvolles Wissen in der Organisation mehr oder weniger zu „versickern“. Insbesondere die erwähnte Tandem-Lösung ist für strategisch relevantes, implizites, häufig durch Erfahrung gewonnenes Wissen gefragt – bspw. für Expertenstellen unerlässlich.
- Instrumentenmix gefragt: Es wird selbstverständlich nicht nur auf einzelne Instrumente und Maß-nahmen ankommen, sondern auf einen entsprechenden Maßnahmenmix, der eine systematische und wohldurchdachte Bewertung von vorhandenem Wissen voraussetzt. Es wird zu bewerten sein, welches Wissen zu sichern ist, wo neues Wissen aufzubauen ist und wie sich altes und neues Wissen verbinden lassen. Klassische Instrumente des Wissensmanagement sind nicht ausreichend.
- Organisationsgestaltung und Digitalisierung einbeziehen: Auch die heutigen bzw. anstehenden Organisationsmaßnahmen sollten stärker unter dem Blickwinkel der Wissensanforderungen entwickelt werden. Es bringt nichts, Organisationen mit und ohne Digitalisierung zu entwickeln, deren menschliche Wissensanforderungen so hoch sind, dass sie kaum noch „bedient“ werden können. Einfachheit, Robustheit und Klarheit sind im Zweifel bei der Organisationsgestaltung der Vorzug zu geben.
- Wissensbewertung aktiv vornehmen: Wissen muss, bevor es gesichert wird, bewertet werden: Inwieweit ist dieses Wissen für die Organisation noch relevant? Welche Änderungen können sich ergeben bzw. sind in naher Zeit absehbar? Wie kann das Wissen gesichert werden, durch Ausbildung, durch Wissensmanagement, Organisationsveränderungen, individuelle Wissenssicherung oder einen Mix aus allem? Für die Verwaltungsorganisation können Leitfäden und Schulungsmaterial entwickelt werden, um solche Probleme strukturiert anzugehen. Es ist jedoch originäre Führungsaufgabe, entsprechende Strate-gien und Instrumente der Wissenssicherung umzusetzen.
- Wissensverlust/Pensionierung als Chance begreifen: Der heute bereits stattfindende Wissensverlust/Wissenswandel kann schlussendlich eine Chance für die Verwaltung sein, sich zu er-neuern und „alte Zöpfe“ abzuschneiden. Diese Chancen und Möglichkeiten stellen sich jedoch nicht von selbst ein, sondern bedürfen entsprechender Strategien und Maßnahmen. Es reicht nicht aus zu hoffen, dass sich das „richtige Wissen irgendwie“ in der Organisation von selbst sichert.
- Wissenssicherung und Lernen erhöht die Reformbereitschaft: Auch kann davon ausgegangen werden, dass (Reform-)Maßnahmen, die auf Wissenssicherung abzielen, bei den Beschäftigten eine hohe Akzeptanz finden. Hier kann ein zu entwickelndes Leitbild, Orientierung geben und eine positive Gesamtstimmung in Richtung Organisationsentwicklung bewirken. Ein Leitbild der Wissenssicherung und des Lernens kann die Bereitschaft für Reformen deutlich erhöhen!
- Umsetzung gestalten: Letztlich empfiehlt sich eine entsprechende Wissens- und Lernoffensive in der Verwaltung, die mit ganz konkreten Maßnahmen und Ressourcen unterlegt ist. Hier wäre es denkbar entsprechende Vorgehensweise und Prüfschemata (welches Wissen sicherungswürdig ist) zu entwickeln, die von der Praxis selbständig eingesetzt werden.