Neue Studie: „Lernen aus der Vergangenheit?! – Entwicklungslinien der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland der letzten 25 Jahre“
Seit über zwei Jahrzehnten verfolgt Deutschland ambitionierte Digitalisierungsprojekte in Staat und Verwaltung – doch trotz zahlreicher Programme bleibt der Fortschritt hinter den Erwartungen zurück. Warum ist das so? Unsere neue Studie, eine Kooperation zwischen dem Stein-Hardenberg Institut und der Agora Digitale Transformation, blickt erstmals systematisch auf die Entwicklungen der letzten 25 Jahre und zeigt auf, welche wiederkehrenden Muster und strukturellen Herausforderungen die digitale Transformation ausbremsen.
Das Besondere an dieser Studie
Anstatt nur einzelne Projekte zu bewerten, analysieren wir auf Basis qualitativer Interviews mit ehemaligen Entscheidungsträger:innen die tieferen Ursachen und langfristigen Trends in der Verwaltungsdigitalisierung. Unser Ziel: Mehr Klarheit über bisherige Hürden schaffen, um eine faktenbasierte Diskussion für die Zukunft zu ermöglichen.
Studienergebnisse: Fünf zentrale Erkenntnisse
> Politische Opportunität behindert die transformative Digitalisierung
Verwaltungsdigitalisierung wurde von politischen Akteuren oft auf öffentlichkeitswirksame Schaufensterdigitalisierung reduziert, während nachhaltige politische Unterstützung fehlte. Eine wirksame digitale Transformation braucht aber eine starke Stimme am Kabinettstisch.
> Bürokratische Strukturen sind nicht transformationstauglich
Die klassische Ministerialverwaltung ist häufig ungeeignet für komplexe Transformationsvorhaben. Es braucht modernere Strukturen und leistungsfähigere operative Einheiten. Ein Strukturwandel ist notwendig.
> Die Fragmentierung der Verwaltung erschwert die Digitalisierung
Die fragmentierte Verwaltungsstruktur erschwert digitale Transformationsprozesse. Eine bessere Balance zwischen zentraler Steuerung und Kooperationskultur ist nötig.
> Es wurde nicht oder aber das Falsche gelernt
Auf institutioneller Ebene wurde nicht systematisch aus den Erfahrungen vergangener Digitalisierungsvorhaben gelernt. Evaluationen wurden meist nur zur Legitimierung bereits getroffener Entscheidungen durchgeführt, ein systematischer Erfahrungstransfer mit Lernabsicht wurde nie etabliert.
> Ein klares Zielbild für die digitale Verwaltung fehlt
Es fehlt eine langfristige, kohärente Vision für die digitale Verwaltung als Teil einer umfassenden Staatsmodernisierung. Denn letztlich manifestiert sich Demokratie und Akzeptanz für staatliches Handeln an der Stelle, wo und wie die Bürger:innen dem Verwaltungsstaat begegnen.
Ein großes Dankeschön an alle Mitwirkenden!
Besonders danken wir den Interviewpartner:innen, die durch ihre Offenheit und Reflexion einzigartige Einblicke ermöglicht haben: Prof. Dr. Henning Lühr, Martin Schallbruch, Klaus Vitt, Dr. Marianne Wulff, Andreas Kraft, Renate Mitterhuber, Dr. Ralf Kleindiek, Dr. Göttrik Wewer sowie zwei weitere ehemalige hochrangige Entscheidungsträger:innen.
Ebenso ein herzlicher Dank an unser großartiges Autor:innenteam: Tino Schuppan, Ayleen Siegemund, Stefanie Köhl, Stephan Löbel, Heidrun Müller, Florian Theißing, Martin Brüggemeier, Marc Mölders und Stefan Heumann. Auch unseren Fellows Marco Brunzel und John Siegel gebührt Dank für ihr Mitwirken.
Warum ist diese Studie gerade jetzt so wichtig?
Wer Verwaltungsmodernisierung in Deutschland voranbringen will, braucht eine klare Sicht auf das, was bereits passiert ist – und was nicht funktioniert hat. Wer echte Fortschritte will, muss aus der Vergangenheit lernen. Eine moderne Verwaltung ist mehr als ein Technologieprojekt – sie ist der Schlüssel für einen leistungsfähigen, modernen und handlungsfähigen Staat. Unsere Studie schafft Klarheit über wiederkehrende Fehler, strukturelle Blockaden und fehlende Steuerungsmechanismen. Sie bietet eine fundierte Grundlage, um bestehende Herausforderungen besser zu verstehen, wiederkehrende Fehler zu erkennen und die Debatte um moderne Verwaltung auf eine neue, faktenbasierte Ebene zu heben.
Wir wünschen erkenntnisreiches Lesen und freuen uns über Feedback, Austausch und Diskussion.
Weiterführende Links
Agora Digitale Transformation | Artikel zur Studie in der Süddeutschen Zeitung (18.03.2025) | DOI-Download
Grafikhinweis: Titelbild erstellt von Agora Digitale Transformation