Zweifelsfrei bedeutet Covid-19 eine große Herausforderung für den Staat und insbesondere seine Verwaltung
und das in mehrfacher Hinsicht: Verwaltung muss neben anderen Anforderungen schnell in der Lage sein, die
Maßnahmen der Politik umsetzen und auf deren Einhaltung achten. Hier muss Verwaltung nicht nur flexibel
und anpassungsfähig oder neudeutsch: agil sein, sondern auch über die notwendigen Vollzugskapazitäten
verfügen bzw. in der Lage sein, diese schnell zu mobilisieren. Die Kernfrage, die sich hieraus ergibt, ist, wie
eine Verwaltung gestaltet sein muss, damit sie krisentauglich in Epidemiezeiten ist. Sind hier die üblichen
(New-)Public Management- und Digitalisierungsreformen ausreichend oder braucht es etwas ganz anderes?
Christopher Hood (1991) äußerte sich bereits in der frühen Euphoriephase des NPM durchaus kritisch zu Managementreformen, indem er argumentiert, dass das NPM eben nicht für alle Situationen geeignet ist, weil
es u.a. eher zu abnehmender Resilienz und Robustheit der öffentlichen Verwaltung führt (Vgl. „A Public Management for all seasons?“). Managementreformen fokussieren auf Effizienz und Effektivität, so dass andere
Werte ggf. zu kurz kommen.
Die Epidemie zeigt: es braucht Verwaltung, die über Reserven (so genannten Slack) verfügt. Eine eng gekoppelte und auf den letzten „Effizienztropfen“ ausgepresste Verwaltung kommt in Krisenzeiten schnell an ihre Grenzen und kann keine zusätzlichen Ressourcen aktivieren. Tatsächlich hat der Staat wie im gegenwärtigen Krisenmodus, auch immer eine übergeordnete Gewährleistungsaufgabe, weil sonst ganze gesellschaftliche Teilsysteme drohen auszufallen, egal ob öffentliche oder private Aufgaben. Es müssen schnell Zahlungen stattfinden, Maßnahmen durchgesetzt und überwacht werden; der Staat mit seiner kritischen Infrastruktur für die Gesellschaft am Laufen gehalten werden, ggf. bei strategisch wichtigen Unternehmen einsteigen etc. Weitere Verwaltungsbereiche sind betroffen und müssen entsprechend ihres Politikfeldes im Krisenmodus arbeiten, wie z.B. Jugendämter (Stichwort: Zunahme häuslicher Gewalt), Bundesagentur für Arbeit (Stichwort: Kurzarbeit oder schnelle Geldauszahlung ohne persönliches Erscheinen), Bildungsverwaltung (Stichwort: Online-Schulunterricht und Prüfungen), permanente Auswertung von Vollzugsdaten für politische Maßnahmen etc. Kaum ein Verwaltungszweig, der nicht in irgendeiner Weise betroffen ist und sich innovative Lösungsansätze überlegen muss. Dafür braucht es Slack, was nicht bedeutet, einfach nur Überkapazitäten als „bürokratischen Bauchspeck“ in guten Zeiten „anzufuttern“, sondern gefragt ist organisatorische „Muskelmasse“, die auch
schnell und zielgenau aktiviert werden.
Hochwasser, beschleunigter Klimawandel, Cyberattacken, Terroranschläge, „Finanzkrise 2.0“ etc.; alles nicht ausgeschlossene Ereignisse für die Zukunft, die andere Strukturen, anderes Management und Handlungsmuster es Staates mit seiner Verwaltung erfordern. Kausale Wirkungszusammenhänge gibt es nicht, um diese Krisen zu lösen, allenfalls ist eine Abmilderung und vorübergehende Beruhigung, in einer Situation permanenter Unsicherheit, möglich. Der Staat ist mit Dauerkrisen konfrontiert, die mehr oder weniger unerwartet auftreten. Ursachen sind kaum zu beheben, allenfalls „professionelles Herumdoktern“ an Symptomen, was sich auch bei Covid-19 durch permanente Mutationen in Zukunft zeigen könnte. Zu erwarten, dass Wissenschaft, wie die Virologen, klare Antworten geben kann, hat weder die Rolle und Funktion von Wissenschaft verstanden noch die Dynamik „moderner“ Krisen. Jetzt einfach „mehr“ Staat zu fordern, lenkt von den eigentlichen Vollzugsherausforderungen ab. Es hilft nicht einfach „viel Staat“ lauthals einzufordern, sondern es braucht einen leistungsfähigen, robusten Staat, der über die notwendige menschliche Expertise und entsprechenden Fähigkeiten verfügt, um so auf zunehmend Unerwartetes reagieren zu können. Zu glauben, dass Digitalisierung allein die Verwaltung krisenfester macht, ist mehr als (technik-)naiv.