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Begünstigt Digitalisierung hierarchische Führung?

Wirkungen von Digitalisierung sind in der öffentlichen Verwaltung unübersehbar. Arbeitsprozesse verändern sich in zeitlicher, inhaltlicher, organisatorischer und örtlicher Hinsicht. Dieser Wandel wird nicht durch IT allein bewirkt, sondern geht auch mit neuen Vorstellungen von Arbeit einher, die dann wiederum mit IT ermöglicht werden. Konkret zu nennen sind beispielsweise vernetzte Formen der Arbeit, kombiniert mit einem räumlich entgrenzten Arbeiten sowie ein erhöhter Grad der Standardisierung und Automatisierung. Ein Aspekt, der in der gesamten Diskussion bisher kaum betrachtet wurde, ist das Thema Führung bei und in digitalisierten Arbeitsstrukturen, denn die Art der Führung und das zur Anwendung kommende Führungsmodell hängen auch von der Gestaltung der Arbeitsorganisation ab.

Führung, verstanden als die persönliche Interaktion zwischen zwei Personen, in der öffentlichen Verwaltung ist seit jeher – auch schon ohne Digitalisierung – ein kritisches Thema. Mitunter existiert noch immer die Vorstellung, dass es keiner besonderen Führung bedarf, da Gesetze und Verwaltungsbestimmungen die notwendigen Vorgaben machen und Führung durch Regeln ersetzt werden kann. Diese vereinfachte Vorstellung entspricht weder einem zeitgemäßen Führungsverständnis noch trägt sie dauerhaft zu einer qualitätsgerechten Leistungserbringung bei. In den letzten Jahren sind im Zuge der Public-Management-Reformen Veränderungen festzustellen: So verstehen sich bspw. in der Bundesagentur für Arbeit Teamleiter zunehmend weniger als „erste Sachbearbeiter“, sondern als Führungskräfte mit eigenständigen Führungsaufgaben, bei denen die persönliche Interaktion und eine ergebnisorientierte Führung im Mittelpunkt stehen. „Management by Objectives“ wird der mit einer in Richtung managerialen Verwaltungskultur kompatible Führungsansatz genannt.

Durch die Digitalisierung scheint Führung erneut an Bedeutung zu gewinnen, worauf einige Bücher und Praktikerdebatten hindeuten. Die Beiträge sind allerdings mitunter von Naivität geprägt – um es vorsichtig auszudrücken. Wenn irgendetwas nicht funktioniert bei der Digitalisierung, soll ein so genanntes E-Leadership Abhilfe verschaffen. Was das genau ist, bleibt in den Debatten jedoch vielfach offen. In jedem Fall besteht mehr oder weniger die Erwartung, dass Führungskräfte das Digitalisierungspotenzial für die Verbesserung öffentlicher Leistungserbringung erkennen und die Tools strategisch einsetzen bzw. das Change-Management bei Digitalisierungsprojekten durchsetzungsstark umsetzen. Dabei schwingt ein hierarchisches bis autoritäres Führungsverständnis mit.

Mehr oder minder von Hierarchie eingefärbte Führungsvorstellungen lassen sich auch bei digitalisierten Arbeitsorganisationen finden. Die Verfügbarkeit von Daten scheint eine engere (Input- und) Verhaltenskontrolle zu begünstigen. Führung wird nicht selten reduziert auf Taktung und Steuerung, sowie die Feststellung von Abweichungen bei Arbeitsprozessen, die nun durch „Robobosse“ übernommen werden könne. Daher bleibt festzuhalten: Führung ist ein zu modellierendes Artefakt, das im Zuge der Digitalisierung aktiv gestaltet werden muss; andernfalls steht zu befürchten, dass die „zarten Pflänzchen“ eines neuen Führungsverständnisses drohen zertreten zu werden. Nicht selten unterstützen Führungskräfte dabei, weil sie Digitalisierung und die da-mit einhergehende (Nicht-)Gestaltung immer noch zu sehr den Technikern überlassen. Dies erhöht die Gefahr einer über Algorithmen technokratisierten Führung. Damit das nicht passiert sind die Führungskräfte selbst gefragt, eine mit der Digitalisierung positiv assoziierte Führungskultur zu etablieren, und Systeme so zu gestalten, dass sie eher die Ergebnisorientierung unterstützen und motivationsfördernde Handlungsspielräume er-halten bleiben oder bewusst neu entwickelt werden.